20.04.2018

Some people wanna die, so they can be free

Mein Papa wäre heute 75 geworden. Den ganzen Tag kämpfte ich immer mal wieder mit Gedanken an ihn. Lächelte, und mußte 1-2 Mal ein Tränchen wegdrücken. Ich habe erst nach dem Tod meines Vater Frieden mit ihm geschlossen. Akzeptiert, dass die Dinge so passiert sind, wie sie passiert sind. Ich erwische mich mehr dabei, an die guten Dinge zu denken, die ich mit ihm erlebt habe.
Daran, dass er auf alles eine Antwort wußte. Dass er Musik geliebt hat. Gerne Radio gehört hat. Einen speziellen Sinn für Humor hatte.
Ich will mich weniger daran erinnern, dass er psychisch krank und Alkoholiker war. Was ich zum Glück nicht mehr so richtig mitbekommen habe. Ich kann keine Menschen ertragen, die durch Alkohol aggressiv werden. Ich kann eine bestimmte Tonlage bei Männern nicht ertragen. Ich konnte den manischen North Country Boy nicht mehr in meiner Nähe ertragen. Ich hatte Angst. Dieselbe Angst, die ich zum ersten Mal als Kind spürte. Als mein Vater bei meinen Besuchen kaum sprach und vor sich hin starrte. Ich weiß heute, dass er krank war. Aber als Kind konnte ich natürlich nicht damit umgehen. Ich wollte ihn nicht mehr sehen, ich hatte Angst vor ihm.
Ich bin dankbar, dass ich die häusliche Gewalt nicht mit erlebt habe. Nichts davon gesehen oder gehört habe. Dafür habe ich andere Sachen gesehen, gehört und erlebt.
Meine Eltern haben schlimme Dinge durchlebt. Dinge, die sie zu den Personen gemacht haben, die sie heute sind bzw. waren. Ich hätte so gerne andere Eltern gehabt. Eine intakte Familie. Kein Scheidungskind sein. Eltern haben, denen man wichtig ist. Die einen schützen und behüten.
Ich hatte so etwas nur zum Teil. Und all diese Umstände haben mich zu der werden lassen, die ich heute bin. Ich lebe mit der Erkenntnis, dass ein Teil meines Vaters innerlich schon vor vielen Jahrzehnten gestorben ist. Als dann der Krebs kam und mein Vater jede Behandlung abgelehnt hat, habe ich mir nur noch gewünscht, dass es schnell geht. Dass er sich nicht quält. Dass seine Seele endlich ihren Frieden findet.
Papa, es gab und gibt bestimmt bessere Väter als dich. Aber es gibt da immer noch Momente, an die ich mich gerne erinnere. Die, in denen du wirklich ein richtiger Vater für mich warst. Momente, in denen du ganz stolz Menschen erzählt hast, dass ich deine Tochter bin. Und so aussehe wie du. Momente, in denen du alle meine Fragen beantworten konntest. Mögest du deinen Frieden gefunden haben. Das ist meine einzige Hoffnung. Und ein Gedanke, der mich immer tröstet. Niemand kann dir jetzt noch etwas tun. Und kein Dämon kann dich mehr verfolgen.