24.06.2020

Less bitter

Der vergangene Freitag war mein heftigster Tiefpunkt seit langem. PMS und ein ätzender Typ im Fitnessstudio, dem ich am liebsten die Hantel ins Gesicht geworfen hätte. Aber Freitag war auch ein Tag, an dem eine Stelle ausgeschrieben wurde, die mich interessiert. Ich habe in einer Spontanaktion am Wochenende eine Bewerbung zusammen geklöppelt. Auf die ich ein bißchen stolz bin, weil ich finde dass sie gut geworden ist. Sehr gut sogar. Ich kann mich inzwischen besser einschätzen und ich konnte endlich mal mit dem glänzen, was ich in meiner Freizeit mache. Montag habe ich dad Gespräch. Ich rechne mir wenige Chancen aus, aber ich falle erstmal nicht tief. Mein Vertrag im Projekt wurde nämlich gerade auch nochmal für weitere 3 Monate verlängert. Es geht in kleinen Schritten aufwärts. Bald ist der Termin bei meiner Therapeutin. Und ich hoffe, dass auch hier die Dinge einen positiven Lauf nehmen. Ich lese zur Zeit das Buch einer Frau, die auch an Esstörungen litt. Es enthält viele kleine Hinweise und Tipps, die die aktuelle Situation schon ein bißchen besser machen. 
Ich bin nicht bereit aufzugeben und meine Dämonen gewinnen zu lassen. Ich bin bereit dazu, endlich einen vernünftigen Umgang mit meinen Emotionen zu kriegen und nichts mehr mit Essen ersticken zu müssen. 

20.06.2020

Who am I?

Alles ist gerade anstrengend. Oder einfach nur schwer erträglich. Mein Gewicht ist wieder auf Höchststand. Wofür ich mich bei jedem Blick in den Spiegel verurteile und hasse. Warum konntest du diesen dünneren Körper nicht behalten? Die Frage stelle ich mir immer wieder. Bitter ist die Antwort: Ich dachte, ich wäre dünner glücklicher. Aber die Wahrheit ist, dass die selben alten Dämonen in mir wohnen. Die gleichen Stimmen mir sagen, dass ich eine Versagerin bin, wertlos, nichts aus meinem Leben gemacht habe. Meine Mutter hat mich abgelehnt und nie habe ich das Gefühl gehabt, dass ich so richtig bin, wie ich bin. 
Irgendwas hat die Dämonen zurückgebracht. Gefühlt schlimmer als ich sie in Erinnerung hatte. Ich kann
aktuell keine Menschen in meiner Nähe ertragen. Ich denke ständig, dass ich eine Belastung für den Mann bin. Dann fresse ich. Bis ich all die Emotionen ersticke, die da dringend raus wollen. Ich fresse um zu verdrängen, dass es Tage gibt an denen ich mir wünsche, nie geboren worden zu sein. Ich fresse, um nicht all die Wut und all den Hass auf all die Arschlöcher, die ich in der Vergangenheit kannte, rauszulassen. Wenn ich dann fast bis zum Kotzen gefressen habe, ist es aber auch nicht besser. Dann beginnen wieder die Selbstvorwürfe, warum ich Stück Scheiße nicht einfach aufhören kann mich ständig zu überessen. Ich hatte doch fast 50 Kilo abgenommen. Wovon fast 40 wieder drauf sind.
Warum Kat, hast du keine Kontrolle? Warum kannst du nicht normal essen? Warum bist du nicht ein Junge geworden? Warum bist du so anstrengend und kannst nicht aufhören zu reden? Warum kannst du dich nicht von Energievampiren distanzieren? Warum hast du jobmäßig nichts besseres auf die Reihe gekriegt? Warum bist du keine erfolgreiche Geschäftsfrau geworden und hast mehr aus deinen Talenten gemacht? Warum hast du, wie es deine Mutter so schön gesagt hast 'dein Leben verpfuscht'? Warum bist du mehr wie dein verstorbener Vater, der Alkoholiker und psychisch krank war? Und nicht wie deine Mutter? Die dir immer gerne als das tolle Vorbild von anderen vorgehalten wurde. Warum bist du nicht das Kind, das deine Mutter sich gewünscht hat? Auf das sie stolz sein kann? Warum musste ihr wertvollstes Kind krank werden? Warum kannst du nutzloses Stück Scheiße nicht krank geworden sein? Du hast ja eh nix erreicht in deinem Leben. Du warst die, die in der Schule als Streberin abgestempelt wurde. Von der keiner wusste, dass sie ab dem Alter von 15 jeden Tag an den Tod gedacht hat. Sterben wollte, weil sie sich eh völlig fehl am Platz gefühlt hat. Die ihr Abi nicht als Beste der Schule gemacht hat, weil sie an überhaupt nichts mehr Freude hatte. Warum hast du aus deinem Studium nicht mehr rausgeholt? Was hast du eigentlich überhaupt richtig gemacht? Du konntest Typen nicht halten und hattest bis in den 30ern keine Beziehung. Du hast Dinge getan, auf die du absolut nicht stolz bist. Hast Männern beim Betrug ihrer Partnerinnen unterstützt. Hast dich wie eine Furie aufgeführt und Menschen vor den Kopf gestoßen. Hast die Moral zu deinen Gunsten gebogen, obwohl du selber so hohe Moralvorstellungen hast. Du hasst dein Aussehen, deine Kurzsichtigkeit, deine Hängebrüste, deinen Bauch, der aussieht als hätte er zig Schwangerschaften hinter sich. Du hasst deinen Körper, weil er dich trotzdem nicht vor Übergriffen schützen konnte. Du frisst, weil du nie das Gefühl hattest, dass deine Mutter dich so geliebt hat, wie du bist. Du frisst, weil du nie verstanden hast, was so schlimm ist wie dein Vater auszusehen. Du frisst, weil du nie vergessen hast, dass dich Leute irgendwie immer komisch fanden. Weil du immer nur die dicke Streberin warst, die unfickbar war. Die mit 15 noch keine Titten hatte und dann auf einmal richtig viel. Was für deine Mutter ein absolutes Problem wurde. Am allermeisten frisst du aber, weil du nie gut genug bist. Du bist für dich selbst nicht genug. Du liebst dich nicht, weil du denkst dass du es nicht verdienst. Weil einfach alles an dir falsch ist. Weil es das ist, was du von Kind an gelernt hast. Weil du überhaupt nicht mehr weißt, wer du eigentlich wirklich bist. Weil du irgendwann entschieden hast, nicht mehr du selbst zu sein.