20.04.2014

Hey Papa, I'm just like you

Gestern Abend hat mich um 22 Uhr eine leichte Migräne ins Bett verfrachtet. Dank der Arbeit bin ich momentan etwas auf dem Zahnfleisch. Aber es sind nur noch 6 Wochen. Dann habe ich wieder mehr Zeit und Ruhe. Aber auch weniger Geld. Aber mehr Zeit!!! Früh schlafen zu gehen sorgt aber auch dafür früh wach zu sein. Seit 3 Uhr. Mein Blick auf den Kalender verrät dass mein Vater heute 71 geworden wäre. Und irgendwie stelle ich fest dass ich ihn immer noch vermisse. Als Kind habe ich erst nicht verstanden warum meine Eltern sich getrennt haben. Mein Vater hat mich alle zwei Wochen abgeholt und ich habe jedesmal bitterlich geweint wenn er wieder weg war. Ich wollte einfach nur eine intakte Familie. So wie meine Schulfreunde. Ich erinnere mich dass mein Vater alles wusste. Egal was ich gefragt habe er wusste auf alles eine Antwort. Und ich erinnere mich dass ich mich immer ein bißchen besonders gefühlt habe. Nicht nur weil ich die jüngste war sondern auch weil ich die einzige bin die Papas Haarfarbe geerbt hat. Früher fand ich das übrigens nicht so toll, inzwischen bin ich froh darüber. Vielleicht war deshalb das Verhältnis zwischen meinem Vater und mir so besonders. Es wurde mir überliefert dass sein erster Kommentar bei meiner Geburt war dass ich aussehen würde wie er (während ich das schreibe muß ich gerade wieder weinen, manchmal glaube ich Dinge werden mit dem Alter noch schmerzhafter).
Ich habe erst später verstanden warum meine Eltern getrennt lebten. Ich weiß ich wollte irgendwann nicht mehr zu meinem Vater. Weil ich ihn komisch fand und Angst vor ihm hatte. Ich war damals noch zu klein um zu verstehen dass mein Vater psychisch krank war und dies durch seine jahrelange Alkoholsucht noch verstärkt wurde. Ich hatte Angst er würde mir etwas antun. Ich habe erst viel später durch Erzählungen meiner Mutter und meiner Geschwister verstanden dass er krank ist und konnte dann auch damit umgehen. Trotzdem ist aber etwas zurückgeblieben. Ich habe nie erlebt wenn mein Vater betrunken oder aggressiv war und meine Mutter geschlagen hat. Mein Vater hat mir einmal eine Ohrfeige verpasst weil ich patzig war. Ich habe monatelang den Kontakt abgebrochen und danach war das Verhältnis nie wieder so wie es mal war. Aber es gibt diese eine Tonlage bei Männern die mich so ohnmächtig vor Wut werden lässt und mich gleichzeitig in Todesangst versetzt. Ich habe mich jahrelang gefragt wo das herkommt. Inzwischen weiß ich dass in mir die Vergangenheit weiterlebt. Etwas dass ich zwar nie selbst erlebt habe dass aber irgendwie in mir angelegt ist. Ich habe häufig Angst vor Männern und ich fühle mich bedroht. Ich ziehe mich zurück. Ich achte genau darauf wie ein Mann wird wenn er sich betrinkt. Ich mag keine aggressiven Männer. Ich vertraue Männern so gut wie gar nicht (ausgenommen sind Mitglieder meiner Familie, Freunde und der North Country Boy). Ich weiß dass ein Mann verdammt viel Geduld braucht um meine Mauern zu durchbrechen. Meinen Körper kann er schnell haben aber mein Geist bleibt häufig unter meiner Kontrolle. Ich ziehe nur keine Mauer hoch wenn die Lebensgeschichte eines Mannes meiner gleicht (aktuell habe ich da einen Seelenverwandten über den ich hier viel schreibe).
Ich glaube mein Vater hat viel dazu beigetragen dass ich heute die bin die ich nun mal bin. Früher habe ich das häufig bedauert heute bin ich eigentlich ganz froh um vieles. Ich habe gelernt nicht immer nur das negative zu sehen. Ich bin so unabhängig wie ich es nur sein kann. Ich bin ohne Mann glücklich auch wenn die Gesellschaft mir gerne was anderes erzählen möchte. Ich habe ein Radar dass mich vor heiklen Situationen beschützt und dass bis heute dafür sorgt dass ich nicht in brenzlige Situationen komme. Einen unglaublichen Selbstschutz. Aber ich habe immer noch so viel Angst.
Mich verbindet heute viel mit meinem Vater. Ich kenne sein Gefühl der Wertlosigkeit, seine Melancholie, ich habe seinen Humor, seine Intelligenz, seine Vorliebe für Science-Fiction, seine Haarfarbe, seine Liebe zu T.Rex und ich kann gähnen wie er (jetzt weine ich gerade vor lachen).
Mein Vater ist vor fast 11 Jahren gestorben. Ich weiß dass es für ihn eine Erlösung war da er emotional schon längst tot war. Aber er hat vor seinem Tod das wohl wichtigste gesagt dass mir jemals ein Mensch gesagt hat, nämlich wie sehr er mich liebt. Und bei ihm bin ich mir sicher dass es aus tiefstem Herzen kam und ich so wie ich bin einfach perfekt bin. Mein Vater hat nie Ansprüche an mich gestellt und nie, mit keiner Silbe, erwähnt dass irgendwas an mir nicht richtig sei. Er hat nie gesagt dass er lieber einen Jungen gehabt hätte. Und es ist genau dass wofür ich heute dankbar bin. Zu wissen dass ich, trotz all der Sachen die passiert sind, von ihm geliebt wurde. Nach seinem Tod hat mich diese Erkenntnisse monatelang überrannt da er ungefähr jede Urlaubskarte von mir verwahrt hat sowie Fotos und Bilder die ich gemalt habe (ich habe an anderer Stelle mal darüber geschrieben dass meine Mutter so gut wie nichts von mir verwahrt hat).
Heute blicke ich auf Erinnerungen zurück. Auf die schönen denn die schlechten sind schon längst überstrahlt. Papa, wo immer du bist ich wünschte zwar immer noch dass vieles anders gewesen wäre aber heute weiß ich dass manches auch einfach so gut war wie es eben war und du vieles einfach nicht besser konntest. Ich grüße dich mit einem Papa-Gedächtnis-Gähner. Dein Puppilein.



Inspiriert von 'Papa' von Danko Jones. Der Tag war der Geburtstag meines Vaters. Ich hatte ein schwieriges Verhältnis zu meinem Vater. Das hat mich lange gequält. Inzwischen akzeptiere ich wie mein Vater war. Und habe mit Dingen meinen Frieden geschlossen. 

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